Geheimer Deutschunterricht 1925 - 1940
von Martha Verdorfer (Frauenarchiv)
Der Begriff Katakombenschule wurde von Kanonikus Michael Gamper geprägt. Nach dem Erlass des Legge Gentile, welches das Italienische als alleinige Unterrichtssprache in den Schulen des italienischen Staates dekretierte, schrieb Gamper im „Volksbote“ vom 1. November 1923:„Was soll nun geschehen? Sollen wir mit dem Verluste der deutschen Schule auch das deutsche Volkstum verlieren? Die heutigen Machthaber wollen es. (…) Unser Volk wird es zu verhindern müssen. Wir müssen es halt den ersten Christen nachmachen. Als sie vor den Verfolgungen nicht mehr sicher waren, in den öffentlichen Tempeln ihren Gottesdienst zu halten, zogen sie sich an den häuslichen Herd zurück. (…) Als die Verfolger auch dort hindrangen, nahmen sie zu den Toten in den unterirdischen Gräbern, in den Katakomben ihre Zuflucht.“
Der systematische Aufbau des illegalen Deutschunterrichtes in Südtirol erfolgte ab dem Jahr 1925, nachdem die Deutschstunden, die bis dahin im Anschluss an die reguläre Schulzeit möglich gewesen waren, abgeschafft wurden. Die Organisation des illegalen Unterrichts in der Muttersprache lag in den Händen von Kanonikus Gamper, der mit Deutschtums-Vereinen in Österreich und Deutschland in Verbindung stand, von denen auch ein Großteil der Mittel für den illegalen Deutschunterricht kam. Das Land wurde in drei Bezirke unterteilt, die jeweils unter die Leitung von erfahrenen Lehrpersonen (Maria Nicolussi, Richard Holzeis und Rudolf Mali) gestellt wurden. Die erste Herausforderung bestand darin geeignetes Unterrichtspersonal zu finden. Ausgebildete Lehrpersonen waren meist gezwungen sich einen Lebensunterhalt zu suchen, mit dem sie auch ihre Familien ernähren konnten. Für diesen Notunterricht, der nur gering entlohnt werden konnte, wurden also junge Mädchen aus relativ gut gestellten Familien gesucht, die erstens über eine gute Allgemeinbildung verfügten und nicht durch Beruf oder Familie gebunden waren. Ihnen versuchte man auch in improvisierten Kursen eine rudimentäre Vorbereitung auf ihre Tätigkeit zu vermitteln. Viele verfügten aber auch über gar keine Ausbildung. Der Deutschunterricht fand nach der regulären Schulzeit in Wohnzimmern, Bauerstuben, Dachkammern und mitunter auch in Kellern statt. Die Eltern mussten je nach Einkommen auch einen kleinen finanziellen Beitrag leisten. Nach Berichten Michael Gampers an seine Geldgeber im Ausland bekamen Mitte der 1930er Jahre etwa 5.000 Kinder zwei Stunden Deutschunterricht pro Woche. Ab Mitte der 1930er Jahre erhielt die religiös geprägte Katakombenschule Konkurrenz durch die illegale nationalsozialistische Bewegung in Südtirol, die sich im Juni 1933 zum „Völkischen Kampfring Südtirols“ (VKS) zusammengeschlossen hatte. Mit der Gründung einer „Mädelschaft“ 1935 begann sich auch der VKS geheimen Deutschunterricht zu erteilen. Darüber kam es auch zu Konflikten zwischen den beiden Gruppen, denen es natürlich auch um die politische eeinflussung der Jugend und um den politischen Vertretungsanspruch ging.
Es bleibt ein Tatbestand, dass die zwanzigjährige faschistische Schulpolitik und die Abschaffung des Unterrichts in der Muttersprache das Bildungsniveau in Südtirol nachhaltig senkte. Daran konnte auch die Katakombenschule nichts ändern.