Der Widerstand in Südtirol in der lokalen Presse:
Text von Vianini Lorenzo*„Dann kam die Befreiung. Und wir sahen sie, unsere Frauen in Hosen, mit dem roten Halstuch, dem Stasi-Gewehr in den ersten Reihen der jubelnden Demonstrationen, sie priesen das Leben, das nach der Phase des Kampfes in der Harmonie einer Eintracht weitergehen sollte, deren Schutzgöttinnen sie sein würden.“
Mit diesen Worten endet der zweiseitige Abschnitt über „Die Frauen für die Befreiung“ im Heftchen der ANPI Bozen „Perché?“, veröffentlicht 1946, auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung mit der Südtiroler Volkspartei. An die Rolle der Frauen im Widerstand erinnert man sich jedoch nur durch ihre Beteiligung am geheimen Hilfskomitee im Lager Bozen: Ada Buffulini verh. Venegoni und Laura Conti im Inneren des Lagers, Maria Caretti in Visco Gilardi, Franca Sosi verh. Turra und Fiorenza Liberio außerhalb. Hinzu kommen Rosa [Ponso], Antonietta [Capuzzo], Fiorella, Mab, Isabella [Condanni], Mariangela, Nella [Lilli in Mascagni], stets mit Aufgaben rund ums Lager betraut – sei es beim Ein- oder Ausgehen von Korrespondenz oder beim Verstecken von Geflohenen. Später im Text werden weitere Frauen genannt, die für ihren Beitrag das „Zertifikat an den Patrioten“, auch bekannt als Alexander-Patent, erhielten – wie die Kämpferinnen der „Division Alto Adige“ Corinna „Cori“ Palla (Brigata Pasubiana), Licia Tioli und Bruna Marcandella (unabhängige Gruppen). Diese und andere im Gebiet aktive Kämpferinnen werden im Abschnitt über die Frauen jedoch nicht erwähnt, sodass das Bild der tatsächlich „bewaffneten“ Partisanin vage bleibt, eher symbolisch, fern der lokalen Realität. Auch die Frauen hätten Risiken auf sich genommen, schreiben die Autoren, fügen aber gleich hinzu, dass dies deshalb geschehen sei „um ihren Männern einen wirklich wertvollen Beitrag nicht vorzuenthalten“. Zudem hätten sie versucht, „ihre Männer in einer dunklen Schlacht mit Ermutigung und Vorbild zu stärken“.
Die Rolle der Frauen im Widerstand, in Südtirol wie im restlichen Staatsgebiet und anderen Ländern, blieb lange im Schatten der Männer. Die Historikerin Benedetta Tobagi stellt fest, dass die Bilder von Frauen mit Waffen, nichts anderes waren als „ein Bildarsenal von bewaffneten Frauen, das dem kollektiven Gedächtnis übergeben wurde“. Sie entstanden sofort nach der Befreiung, „um eine Vorstellung davon zu formen, was der Widerstand tatsächlich war, gegen das drohende Vergessen oder die Verfälschung seiner Geschichte.“ Aber, so fährt Tobagi fort, gerade „Bilder können in die Irre führen“, weil „die Ausblendung der Frauen aus dem öffentlichen Gedächtnis des Partisanenkrieges beginnt schon mit den Umzügen zur Befreiung“, verbunden mit verschiedenen Gründen und Ängsten, doch hauptsächlich mit der Tatsache, dass „der Faschismus vorbei, aber das Patriarchat noch in bester Form“ ist. (Tobagi, 2022)
Die Veröffentlichung der ANPI Bozen erscheint, wie gesagt, auf dem Höhepunkt einer Auseinandersetzung zwischen den italienischen Parteien des örtlichen Befreiungskomitees (CLN) und der SVP, die als Sammelpartei der deutschsprachigen Südtiroler*innen am 8. Mai 1945 gegründet worden war. Die Parteigründer, die an der Spitze standen, hatten beide Diktaturen, die in Südtirol aufeinanderfolgten, abgelehnt. Beide Lager, CLN und SVP, beanspruchen exklusiv eine aktive Rolle gegen Faschismus und Nationalsozialismus gespielt zu haben und beschuldigen die Gegenseite der Kollaboration. Im Rahmen einer Polemik um die Option und deren mögliche Revision schreibt der Chefredakteur der Zeitung „Alto Adige“, Tullio Armani, man dürfe nicht vergessen, dass die Südtiroler*innen in den zwanzig Monaten der nationalsozialistischen Herrschaft „mit absoluter Loyalität gedient“ hätten und „niemand aktiv versucht habe, den Sturz der Diktatur zu beschleunigen“. Im Gegenteil, viele hätten sich nach dem 8. September freiwillig in die SS eingeschrieben. (Alto Adige 2.9.1945) Dem antwortet Friedl Volgger, Aktivist der Dableiber im Andreas-Hofer-Bund und daher in Dachau interniert, indem er in der Einführung zu seiner Bilanz der nationalsozialistischen Repression der Südtiroler die Existenz italienischer Partisanen im Gebiet bestreitet und erklärt: „wir [haben] vor den Waffenstillstandsvertrag nie einen italienischen Partisanen in Südtirol gesehen“. (Volksbote 15.11.1945)
Als die SVP am 25. April 1947 keinen ihrer Vertreter zu den Feierlichkeiten schickt –Parteipräsident Erich Amonn erklärte dies mit einer Reise der Parteiführung nach Rom – bezeichnete der militärische Verantwortliche des CLN, Libero Montesi, die Südtiroler als „Abwesende der neuen Geschichte“. Aber wenn man die Berichte der verschiedenen Feierlichkeiten zum Jahrestag der Befreiung seit Mai 1945 durchgeht, dann fehlen nicht nur die Südtiroler*innen, sondern auch die weiblichen Figuren: Wenn „Perché?“ Frauen des lokalen Widerstands zumindest kurz erwähnt, so finden sie in den organisierten Feierlichkeiten keinen Platz. In diesen Jahren sind die einzig wirklich Abwesenden die Frauen – nicht weil sie den Feierlichkeiten fernbleiben, sondern weil ihnen kein Raum gegeben wird. Die einzige Ausnahme ist ihre Bedeutung als „Ehefrauen von“ bedeutenden Partisanen, wie jene im Stadtausschuss zum zehnjährigen Jubiläum 1955 – Wilma Mincato, Witwe von Manlio Longon, Elena Stanchina, Witwe von Luciano Bonvicini, Anita Turatti, Witwe von Aldo Danti.
Lorenzo Vianini: Le Assenti dalla nuova storia pp 108-125 in Stories Scuviertes. 20+ Jahre/anni Frauenarchiv-archivio storico delle donne, Raetia 2025