Mit dem Begriff „Ungehorsam“ beziehen wir uns hier auf jene Episoden, in denen Frauen gegen die faschistischen oder nationalsozialistischen Gesetze handelten. Ein Beispiel dafür sind Gesten der Solidarität gegenüber Menschen – selbst dann, wenn sie scheinbar „verfeindeten Lagern“ angehörten.
Während des Krieges stellten Akte der Hilfe und Unterstützung zwischen Menschen – unabhängig von politischen Unterschieden – eine Form der Abweichung von der Kontrolle des Regimes bzw. der Regime dar, die eine strikte Trennung zwischen Faschisten und Antifaschisten sowie Nationalsozialisten und Antinazis durchzusetzen versuchten. Durch den Versuch der lückenlosen Kontrolle des Alltagslebens zielten totalitäre Regime darauf ab, selbst die einfachsten Akte der Menschlichkeit zu unterbinden.
Hannah Arendt vertrat die Auffassung, dass der Totalitarismus die Menschen zum eigenständigen Denken unfähig machen wollte. In diesem Sinne stellte (es) bereits die Entscheidung einer vom Regime verfolgten Person Nahrung, Wasser oder Medikamente zu geben, einen Akt des Widerstands gegen diese Entmenschlichung dar.
Auch wenn solche Handlungen nicht eindeutig unter dem Begriff „Widerstand“ gefasst werden können, so lassen sie sich ebenso wenig als Anpassung oder Konformität begreifen: Sie bewegen sich in einem Zwischenraum – zwischen Widerstand und erzwungener Anpassung an die Macht.


Fonti

Libri

Discorso sulla servitù volontaria (Discours de la servitude volontaire o Contr'un), Étienne de La Boétie, 1576

In der Rede über die freiwillige Knechtschaft , geschrieben wahrscheinlich um 1549 (und veröff. 1576), behauptet Étienne de La Boétie, dass Tyrannen nur deshalb an der Macht sind, weil sie von ihren Untertanen unterstützt werden. 
Er kehrt die Perspektive der Epoche um, in der Macht ausschließlich als unterdrückend verstanden wird, und betont stattdessen die Verantwortung der Massen für ihre eigene Unterwerfung. Die Sklaverei besteht, weil die Menschen freiwillig an ihrer eigenen Unterdrückung mitmachen und von einem "Willen zu dienen" beseelt sind.
Nach La Boétie wird die Freiheit nicht mit Gewalt erobert, sondern einfach dadurch, dass man aufhört zu gehorchen: Ungehorsam ist die Lösung. Die Macht fällt von selbst, wenn sie keine Zustimmung mehr erhält. Diese ebenso provokante wie aktuelle These besagt, dass Menschen die Freiheit fürchten, weil sie Verantwortung mit sich bringt, während Gehorsam Sicherheit bietet. Diese Beziehung zwischen Herrschaft und Gehorsam wurde später von anarchistischen Denkern und Bewegungen des zivilen Ungehorsams aufgegriffen. La Boétie war einer der ersten, der die Nicht-Zusammenarbeit als ein wirksames und gewaltfreies Kampfmittel vorschlug.

 

Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen (Eichmann in Jerusalem: A Report on the Banality of Evil) Hannah Arendt, 1963

Im Buch „Die Banalität des Bösen“ erzählt Hannah Arendt den Prozess gegen Adolf Eichmann, einen der Verantwortlichen für die Deportation der Juden im Zuge der Shoah. Arendt verfolgte den Prozess in Jerusalem als Berichterstatterin des New Yorker und war beeindruckt davon, dass Eichmann nichts von einem grausamen Monster hatte, sondern eine normale, sehr durchschnittliche Person war.
Nach Ansicht von Arendt liegt die wahre Gefahr totalitärer Regime wie des Nationalsozialismus nicht nur in den fanatischen Führern, sondern auch in den vielen gewöhnlichen Menschen, die, ohne nachzudenken, zu Komplizen und Handlangern werden.
Eichmann repräsentiert genau diese Art von Personen: Teil einer Massengesellschaft, (isoliert??), unfähig zum kritischen Denken, (die) Sicherheit in der Befolgung von Befehlen und Regeln findend, ohne sich selbst verantwortlich zu fühlen. In einem totalitären System werden diese Individuen am Ende zu funktionierenden Rädern einer Vernichtungsmaschine. 
Diese Interpretation wurde von vielen kritisiert: Der Staat Israel wollte den Eichmann-Prozess zu einem beispielhaften Ereignis machen, das nicht zuletzt die Notwendigkeit und Legitimität des Staates Israel untermauern sollte. Die Überlebenden und die Familien der Opfer sahen in der "Banalisierung" der Figur Eichmanns eine Gefahr: Sie befürchteten, dass damit ihr Leiden unverständlicher gemacht würde. Auch viele Deutsche akzeptierten den Begriff der „Banalität des Bösen“ nicht, sondern zogen es vor zu denken, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus außergewöhnlich und von wenigen verantwortet wurden, um die kollektive Verantwortung zu mindern.
Arendt lehnte diese Ansicht ab. Für sie entsteht das wirklich Böse nicht aus Hass, sondern aus der Gedankenlosigkeit und dem Verzicht auf persönliche Verantwortung

 

Collegamenti

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